Geburtstagsfeier

Wenn man mich nach meinem Alter fragt, muss ich seit gestern eine höhere Zahl nennen. Dieser Effekt ist in der Jugend noch cool, zum Beispiel, wenn man 18 wird oder von mir aus noch 21. Irgendwann stellt man fest, dass die Zahl gefühlt immer schneller steigt und so nach und nach sogar etwas Unheimliches bekommen kann. Letztes Jahr bin ich 40 geworden. Ähnlich wie beim 20. und 30. Geburtstag haben mir Leute dazu versichert, dass es ab hier bergab gehen wird. Das trägt in Summe auch nicht dazu bei, dass man voller Vorfreude aufs Älterwerden blickt. Bislang ist die prognostizierte Abwärtsspirale weitestgehend ausgeblieben. Stattdessen startete mein neues Lebensjahr mit einer Geburtstagsfeier und die reicht allemal, um hier erwähnt zu werden.

Die Tage zuvor

Für mich sind eigene Geburtstagsfeiern immer noch sehr ungewohnt. Denn so eine richtige Party hatte ich vor meinem 40 Geburtstag wohl das letzte Mal, als ich in der Grundschule war. Irgendwie hat es sich ergeben, dass ich meinen Geburtstag eher im kleinen Kreis feiern möchte. Und klein meint hier wirklich sehr klein. Auf der Couch mit der Katern oder vielleicht mit 1-2 Freunden maximal und dann wird auch nichts weltbewegendes unternommen.

Da die Feier letztes Jahr allerdings deutlich gezeigt hat, dass es sowohl mir als auch wohl mehrheitlich meinen Gästen viel Freude bereitet, hatte ich mich letztlich entschlossen, dieses Jahr wieder zu feiern. Das war auch so lange eine gute Idee, bis ich vor wenigen Tagen merkte, dass es nun wirklich wieder passiert. Mein Kopf hat dann kurzerhand beschlossen, allmögliche Katastrophen sehr bildhaft auszumalen und teils in Dauerschleife abzuspielen. Wahlweise sollte die Feier dann ausfallen, weil meine Gäste von Aliens entführt werden oder ein Vulkanausbruch zerstört mit verblüffender Präzision ausschließlich das Restaurant, in welchem ich feiern wollte.

Natürlich wusste ich auch, dass das alles Quatsch ist. Mein Kopf scheint auf Aufregung, aber manchmal gern mit absurden Theorien zu reagieren. Ich kann schon mal spoilern: Sei es Glück gewesen oder eine göttliche Fügung, uns haben keinerlei Naturkatastrophen ereilt und auch sonst ist niemand abhanden gekommen.

Meine Aufregung war trotzdem immens. Je näher der Tag kam desto nervöser wurde. Dabei war eigentlich wirklich alles gut geplant und bot eigentlich gar kein Grund für diese Anspannung. Ich hatte mit meinem Lieblings-Restaurant die Räumlichkeiten und das Essen geklärt. Es hatten knapp 30 Leute zugesagt, sodass ich sehr sicher nicht allein da gesessen hätte (selbst, wenn doch jemand von E.T. gekidnappt worden wäre). Der Wetterbericht war vielversprechend und was sollte nun noch passieren? Richtig, nichts.

Der große Tag startet

Und genau so kam es dann auch. Es passierte exakt nichts Schlimmes. Der Tag startete so, wie man es von einem Geburtstag erwarten möchte. Meine Frau und meine Mama gratulierten mir zum Geburtstag. Ein paar Nachrichten auf dem Handy gesellten sich noch dazu und insgesamt verlief der Vormittag dann sehr entspannt.

Tatsächlich so entspannt, dass ich noch mal ein Stündchen mit meinem Kater auf der Couch döste und so gut die Zeit verbrachte, bis ich mich dann doch so langsam startklar für die Feierlichkeit machen wollte. Ich ging dann noch einmal durchs Bad. Meine Frau packte die Dekoration zusammen und dann ging es zum Restaurant.

Der Raum war bereits eingedeckt und war bereits in diesem Zustand schön. Es dauert nicht lange und eine meiner engsten Freundinnen stand in der Tür. Meine Frau, besagte Freundin und meine Wenigkeit fanden uns dann direkt beim Dekorieren wieder. Ein paar Glitzerspiralen hier, eine Lichterkette dort und natürlich darf ein große „Happy Birthday“-Girlande nicht fehlen. Meine Frau hatte als weiteres Highlight eine 10m Girlande besorgt, an der unzählige Islandflaggen hingen. Der Raum war nun nicht nur schön, sondern auch noch sehr passend zu mir und der Feier.

Draußen schien dazu passend die Sonne und mit dem ersten Aperol in der Hand, bemerkte auch mein Kopf so langsam, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass heute ein guter Tag wird.

Zufällig aber sehr angenehm, kamen die Leute in solchen Abständen, dass es nicht zu unruhig wurde und trotzdem immer wieder ein neues Gesicht gab. Die Ankunft aller Gäste streckte sich fast über 1,5 Stunden. Das mag man als lang empfinden, aber ehrlich gesagt flog die Zeit nur dahin.

Mein Highlight in dieser Phase war, als ein sehr altes und vor allem mir fremdes Ehepaar in der Tür stand. Ich sprach sie an, dass hier heute eine geschlossene Gesellschaft für eine Geburtstagsfeier ist. Die Frau erwiderte, dass sie doch dafür hier sei. Ich teilte ihr mit, dass ich das Geburtstagskind bin und sie nicht kenne. Es brauchte dann noch einen sehr langen Moment, bis sie feststellte, dass wir uns nicht kennen. Am Ende war sie sehr irritiert und ich sehr amüsiert.

Die Party startet

Als dann alle geplanten Leute da waren, musste ich recht schnell feststellen, dass meine Gäste offensichtlich genau dann synchron eine Leseschwäche bekamen, als es in der Einladung den Satz gab, dass sie keine Geschenke mitbringen sollen. Mir wurde erklärt, dass es sich dabei um kein Geschenk, sondern ein Mitbringsel handelt. Alternativ dazu habe ich dann das Wort „Nichtgeschenk“ gelernt. Was wohl sinngemäß bedeutet, dass es trotzdem ein Geschenk ist, ich aber keinerlei Chancen hätte, dagegen etwas zu tun.

Fairerweise muss ich sagen, dass meine Nichtgeschenke und Mitbringsel allesamt großartig waren. Da standen Schallplatten, Otter-Fanartikel, persönliche Grüße, ein Beutel mit selbstgebackenem Brot, eine wunderschöne handgemalte Karte und sogar ein kleines Gemälde und noch soviel mehr. Meine Leute sind schon wirklich verrückt und ich gestehe, ich wollte keine Geschenke, aber das war schon alles sehr sehr schön.

Zum Abend gab es dann ein Buffet, welches ohne Übertreibung als Festmahl durchgeht. Was mich dabei besonders freute war, dass es überall Gespräche zu hören gab und die Leute augenscheinlich eine gute Zeit hatten. Denn das war etwas, was wohl tatsächlich als berechtigte Sorge durchgegangen wäre: Mein Freundeskreis ist eben genau das – ein Kreis von Menschen, mit denen ich befreundet bin. Viele von ihnen kennen sich aber gegenseitig nicht. Es wäre sicher nicht die erste Feier gewesen, bei der Menschen, die sie nicht kennen auch nicht miteinander reden. Aber nicht mein Freundeskreis! Überall strahlende Gesichter und Plaudereien. Es war so schön für mich anzusehen.

Das große Fresskoma blieb vorerst tatsächlich auch aus. Stattdessen zog es sich wie ein roter Faden, dass sich überall Leute austauschten und lächelnd durch den Abend gingen. Genau so habe ich mir das gewünscht. Kein großes Tohuwabohu, sondern einfach viele entspannte Menschen. Es gab mir die Gelegenheit, dass ich mich manchmal mit einzelnen Leuten in einen schön Dialog begeben konnte und manchmal konnte ich mich an einen Tisch setzen und war einfach Teil einer gesprächigen Runde.

Über den Abend und in die Nacht hinein wurde der Kreis der Gäste zwar immer kleiner aber nicht weniger unterhaltsam. Ich habe bis zum Ende der Feier eine tiefe Zufriedenheit gefühlt. Wobei zur Wahrheit auch gehört, dass nach der getrunkenen Menge Amaretto wohl auch nicht mehr allzu viel Raum für andere Gefühle war.

Gegen 2.30 Uhr morgens lag ich dann unter meiner Decke und hoffte, dass der schnurrende Kater neben mir am nächsten Morgen nicht seinen kopfschmerzerzeugenden Namensvetter dazu geholt hat. Angetüdelt, mit vollem Bauch und sehr sehr glücklich, versuchte ich noch ein paar Leute eine Nachricht zu schreiben und mich für den wunderbaren Tag zu bedanken… ich schlief mit dem Handy in der Hand ein.

Was bleibt, ist das großartige Gefühl, dass ich tolle Menschen um mich habe. Da sind Menschen, die stundenlang durch Deutschland gefahren sind, um diesen Tag mit mir zu erleben. Menschen, die sich aus einem banalen Samstag einen der schönsten Tage gemacht haben. Alles Menschen, mit Lust am Leben und dem Willen, dieses Lebensglück auch mit ihrem Umfeld zu teilen. Ich bin sehr dankbar, dass ich sowas erleben darf.

Die Welt ist schön, weil es Geburtstagsfeiern gibt.

Wir lesen uns beim nächsten Mal.

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